In zahlreichen Fällen ist es notwendig, den Kunden auf dem Weg zur Zufriedenheit aktiv zu begleiten. Salopp, aber durchaus präzise ausgedrückt, gilt es dem Kunden zu seinem Glück zu verhelfen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wird anstupsen genannt.

Kundenorientierte Unternehmen und Verkäufer schützen ihre Kunden vor Fehlentscheidungen. Einen neuen Mercedes ohne Klimaanlage oder Navi zu verkaufen, reduziert den Anschaffungspreis und senkt damit die Einstiegshürde für viele Kunden. Gleichzeitig werden aber die Chancen einen attraktiven Wiederverkaufspreis auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erzielen, deutlich eingeschränkt. Autos mit gefragten Extras lassen sich nachweislich zu höheren Preisen vermarkten hat der Auto-Marktbeobachter Schwacke festgestellt.[1] Der Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler ist deshalb der Überzeugung, dass es notwendig ist, Menschen durch gewisse Hilfen in eine für ihn gewünschte Richtung zu „stupsen“.

Zur Erklärung soll eine Studie mit Studierenden angeführt werden. Diesmal allerdings aus den 60er Jahren: In einer Vorlesung wurden Studierende über die Notwendigkeit informiert, sich gegen Tetanus impfen zu lassen. Drei Prozent ließen eine Impfung vornehmen. In einer Vergleichsvorlesung wurde den Studierenden zusätzlich eine Karte ausgehändigt, in der das medizinische Zentrum der Universität markiert war. Zudem wurden die Studierenden gebeten, sich zu überlegen, wann sie Zeit zur Impfung hätten. Aus dieser zweiten Gruppe ließen sich dann 28 % der Studierenden impfen.[2] Wird die gewünschte Handlung greifbarer gemacht und visualisiert, beeinflusst dies das Verhalten der Kunden entscheidend.

Anstupsen ist eine Form der aktiven Verhaltensbeeinflussung. Es gibt verschiedene Wege, wie das Unternehmen dies erreichen kann:

  • Anreize in Form von Belohnungen motivieren zum Abschluß, indem mögliche Widerstände neutralisiert werden. Einige Fluggesellschaften bieten zwischenzeitlich CO2-Kompensationen für Buchungen ihrer Flüge an. Erst diese Belohnung ermöglicht für viele Kunden, die den Klimaschutz zu einem persönlichen Anliegen gemacht haben, eine Kaufhandlung.
  • Viele Kunden können den Nutzen technischer Zahlen, Daten, Fakten nicht richtig einordnen. Hier helfen Referenzwerte: Auf eine 16 GB Speicherkarte passen zirka 820 Fotos mit einer Auflösung von 10 MB. „Wenn du täglich zwei Bilder machst, kannst du mit dieser Karte, deine Bilder für ein Jahr speichern und sorgenfrei fotografieren.“
  • Der Klassiker wurde aktuell im Zusammenhang mit der Organspende diskutiert: Es sind die Voreinstellungen bzw. „defaults“. Das sind Entscheidungsoptionen, die voreingestellt sind und die der Kunde ggf. aktiv ändern muss. Sie kennen das Problem überfüllter Züge? Wie oft hat man sich schon geärgert, keinen Sitzplatz reserviert zu haben. Eine europäische Eisenbahngesellschaft hat in ihrem Buchungssystem die Platzreservierung (für zusätzlich ein bis zwei Euro) als Voreinstellung integriert. 47 Prozent der Kunden ließen diese Option bestehen. Ohne diese Voreinstellung reservierten nur 9 Prozent. Wie viele sich dann über den überfüllten Zug und den Stehplatz ärgerten, ist aber nicht bekannt.[3]
  • Eine Strukturierung des Angebotes führt zu einer Vereinfachung komplexer Aufgaben und ist damit ebenfalls ein Anstupser zu einem gewünschten Kundenverhalten. Der Verkauf von Weinen kann z.B. durch deren Sortierung beeinflusst werden. In einer Studie[4] waren französische und texanische Weine einmal nach ihrer Herkunft, ein andermal nach deren Farben/Sorten (weiß vs. rot) sortiert. Da französischen Weinen eine größere Qualität zugebilligt wird als texanischen reduziert eine Sortierung nach der Herkunft von vorneherein die Kaufwahrscheinlichkeit texanischer Weine. Bei einer Sortierung nach Farben, hat das Herkunftsattribut eine geringere Bedeutung. Die Konsequenz: der Unterschied in der Kaufwahrscheinlichkeit fiel hier nicht ganz so groß.

Die Möglichkeiten die Entscheidungen für den Kunden zu vereinfachen und ihm zu einer optimalen Auswahl zu verhelfen sind zahlreich. Um diese für den Kunden tatsächlich nutzbar zu machen, müssen sich die Anbieter immer wieder fragen, welche „default-Optionen“ sie für den Kunden eingestellt haben. Sollten die Kunden nicht in der vom Anbieter gewünschten Art und Weise reagieren, gilt es diese Voreinstellungen zu überprüfen und zu korrigieren.

Anstupsen aktiviert das sogenannte wanting-System im Gehirn. Dieses leitet motorische Handlungen, wie z.B. eine Handbewegung, allgemein eine Aktion oder einen Kauf ein. Die klassischen Marketer versuchen mit Marke, Positionierung usw. das liking-System zu beeinflussen. Der Kunde mag etwas, er findet es sympathisch. Das bedeutet aber nicht, dass der Kunde kauft. Für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens muss das wanting-System aktiviert werden. Anstupsen adressiert genau diese Gehirnregion.


[1] https://www.welt.de/motor/article142238312/7-Dinge-die-den-Schwacke-Preis-deutlich-steigern.html, abgerufen am 20.1.2020
[2] Gündling, Christian: Letzter Aufruf Kundenorientierung, S. 267f
[3] Goldstein, D. G.; Gigerenzer, G: „Models of ecological rationality: The recognition heuristic“, in: Psychological Review, 109 Jg., S. 99f
[4] Vgl. auch zum folgenden: Martin Krengel, Kategorisierungseffekte, S. 69