Das Marketing hält für den Praktiker wie für die Wissenschaft zahlreiche Modelle und Instrumente vor, mit denen die Zukunft vorausgesagt werden soll. Tatsächlich können diese Modelle aber nur das Verhalten der potenziellen Kunden erklären, welches den Anwendern dieser Modelle schon bekannt ist. Die Modelle beruhen auf messbaren, explizit artikulierbaren Entscheidungen. Sie berücksichtigen auch nur expliziten Nutzen. Mit diesen Nutzen sind alle - das eigene Unternehmen und die Wettbewerber vertraut. Wer hingegen einen Wettbewerbsvorsprung erarbeiten, wer wirklich kundenorientiert agieren möchte, muss erkennen können, was die Kunden vielleicht sonst noch wertvoll finden könnten. Die Antworten dazu liefert die moderne Verhaltensökonomie. Diese geht davon aus, dass bis zu 95 % unserer Wahrnehmung und Entscheidungen unbewusst erfolgt.

Bedauerlicherweise hat die traditionelle Marketingwissenschaft nach wie vor zahlreiche Vorbehalte gegenüber der modernen Verhaltensökonomie, die mit Namen wie Daniel Kahneman, Hans-Georg Häusel oder Dirk Scheier verbunden ist. Einer der wesentlichen Gründe liegt wahrscheinlich darin, dass hier sichtbare Ergebnisse in Form von Wahrnehmung und Verhaltensweisen der Kunden, durch im Verborgenen liegende Entscheidungsprozesse entstehen. Die Produktionsstätte ist unsichtbar. Während das klassische Marketing noch davon ausgeht, den Kunden zu bestimmten Verhaltensweisen aktiv beeinflussen zu können (Stichwort: der unmündige Kunde), lehrt uns die Verhaltensökonomie, dass wir das Unterbewusste des Menschen adressieren können, wir wissen aber nicht bei wem. Wird dies einmal akzeptiert, funktioniert Marketing wie ein Magnet. Der Erfolg wird regelrecht angezogen. Das Unternehmen wird zudem zum Champion der Kundenorientierung.

Menschen sind also nur zu einem ganz geringen Teil aktive Gehirnbenutzer, dafür aber zu einem Großteil passive Gehirnbesitzer. Gerade Manager und Wissenschaftler, die davon überzeugt sind, dass sie ihre Karriere der Gehirnbenutzung zu verdanken haben, sind verständlicherweise eher davon überzeugt aufgrund von rationalen Fakten zu handeln. Sie negieren damit recht konsequent, dass sie nur Menschen sind, deren Verhaltensweisen entscheidend von impliziten Motiven beeinflusst wird. Auch ihre Wahrnehmung und Verhaltensweisen erfolgen nur zu maximal 30 % bewusst.

Zahlen, Daten, Fakten, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Nutzendarstellungen, also explizite Informationen sind aber auch weiterhin unerlässlich. Diese versorgen die Entscheider mit den expliziten Informationen, die notwendig sind, damit sie ein gutes Gefühl haben, eine nachvollziehbare, scheinbar rationale, Entscheidung getroffen zu haben.